Ich habe neulich wieder mal versucht, mir zu erklären, was der Begriff »Design« meint. Aber warum eigentlich? In meiner Rolle, genauer: meinem Beruf als Designer ist das im Grunde nicht notwendig. Es lässt sich prima gestalten, ohne zu wissen, was Design bedeutet. Der Arbeitsmarkt liefert Anforderungen und Jobtitel, die sich mehr oder weniger mit den realen Kompetenzen und Tätigkeiten der Leute treffen, und dann legt man los.
Doch auch hier gibt es starke Motive für ein reflektierteres Verständnis. Diesem Verständnis geht es nicht um wahrheitsfähige, sondern um strategische Aussagen. Wer die Position und die Relevanz von Design in (s)einem Unternehmen verbessern möchte, tut gut daran zu wissen, womit er bzw. sie handelt.
Ein strategischer Design-Begriff zielt auf Veränderung: Vielleicht will ich dem Thema in der Organisation mehr Ansehen verschaffen, stärker an Produkt- bzw. Geschäftsentscheidungen beteiligt werden, mehr Gehalt verdienen, neue Mitarbeiter:innen reinholen etc. Dazu muss ich herausfinden, was alle anderen mit Design verbinden. Die Reflexion des strategischen Design-Begriffs hat immer mit Blick auf die anderen Gewerke zu erfolgen: Management, Entwicklung, Marketing, Operations usw.
Was sind die Erwartungen und Erwartungserwartungen der Kolleg:innen? Was erwarten sie von mir als Designer, und was erwarten sie, das ich von ihnen erwarte? Und was erwarte ich wiederum, das sie von mir erwarten? Mit diesen Fragen ist man beim (impliziten) Begriff von »Design«, von ihm hängt die konkrete Ausgestaltung besagter Erwartungserwartungen ab. Je besser ich diese verstehe, desto eher kann ich das Verständnis an sich modellieren.
Was immer dabei herauskommt, ist der jeweilige Status quo. Daraus kann ich im nächsten Schritt ableiten, für welche Probleme und Aufgaben ich angefragt werde – und warum. Außerdem ertaste ich, wo die Grenzen meiner Tätigkeit und Expertise liegen. Von dort aus geht es weiter zu Bewertung, Zielfindung und Strategiebildung: Bin ich damit einverstanden? Will ich lieber woanders hin? Falls ja: wo ist dieses woanders und was ist los an diesem Ort? Wo bieten sich Chancen, die Hand zu heben; wo kann ich mein Wissen als Designer unerwartet einbringen, um neue Pfade zu erschließen?
Mit »Wahrheit« hat das, wie gesagt, wenig zu tun, sondern mit der Realität dessen, was sich in den Köpfen der Nichtdesigner:innen abspielt. Das ist okay, aber noch nicht zielführend. Es wäre nämlich fatal, auf einen wissenschaftlich ambitionierteren Begriff gänzlich zu verzichten. Einerseits, um sich nicht diktieren zu lassen, worin der eigene Beruf besteht. Andererseits helfen elaborierte Bilder, das eigene Profil zu schärfen, d. h. sich zu fragen, was für ein Designer man angesichts der Vielzahl herumschwirrender Varianten sein möchte – und ob und wie das im eigenen Unternehmen konkret funktioniert.
Eine solche Schärfung setzt voraus, dass man den Design-Begriff selbst designt. Nichts anderes ist die Kernidee des Begriffs »Begriff«, seine Gestaltung im Medium der Sprache, durch Unterscheidungen, Zuschreibungen, Positionen und Negationen. Wir finden uns also in einem Zirkelschluss wieder: Um den Begriff zu designen, brauchen wir einen – und sei es vorläufigen – Begriff.
Gerade weil es eine Vielzahl von Aussagen gibt, die diesen Begriff mit Bedeutung aufladen, sollte man sich bei diesen bedienen und sein eigenes, an der Schnittstelle von Wissenschaft und Wirklichkeit geschultes Konzept zurechtlegen. Wer betraut schon einen Designer mit der Strategie des Unternehmens, wenn dieser nicht mal eine strategische Sicht auf die eigene Profession hat?