»Challenge«

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»Challenge« bzw. Herausforderung ist eines dieser Wörter, das meine Ohren weiterhin nicht organisch ins allgemeine Wortverständnis einbauen können. Es fällt auf, wenn jemand es benutzt. Ein Alltagsbegriff, von dem niemand eine präzise Vorstellung, aber die Hoffnung hat, mit ihm die Anstrengungen und Schwierigkeiten einer zu erledigenden Aufgabe signalartig mitzuteilen.

Weil die Welt bekanntlich voller Anstrengungen ist, kann man das Wort an sehr vielen Stellen nutzen, wodurch es zu einer hohlen Formel wird; kann man alles unter dem Aspekt der Herausforderung betrachten, gibt es keine mehr. Also erscheint dieses kleine innere, auf Ästhetik und Distinktion federnde Lächeln in mein Hirn, wenn jemand sie benutzt – eine winzige, wenn auch nicht boshafte Herablassung.

Es wirkt etwas wohlfeil, Komplexität mit einem leeren Zauberwort heraufzubeschwören. Dabei das macht das im Grunde nichts, im Gegenteil. Man sollte vielleicht eher dankbar dafür sein, dass es ein neues Wort gibt, mit dem die Menschen angesichts der Hürden, Schwierigkeiten und Fallhöhen dieser Welt Zeit und Verständnis gewinnen können. Wenn es um Strukturen, Prozesse oder Verhalten (von Individuen wie Organisationen) geht, ist mittlerweile wohl allen klar, dass diese sich nicht von heute auf morgen ändern lassen.

Die Rede von der Herausforderung antizipiert außerdem Scheitern. Sie markiert, dass die bevorstehende Aufgabe »nicht trivial«, d.h. ihr Ergebnis nicht vorherzubestimmen ist. Sollte es komplett schiefgehen, war man zumindest vorgewarnt – und ist hoffentlich nicht zu streng im Urteil. Aber die Augenbrauen, die gehen trotzdem ein klitzekleines Bisschen hoch, wenn jemand das Wort ohne Anführungszeichen benutzt.