»Noch wach?« Möglicherweise fallen vom Netzbetreiber SMS-Gebühren an

Benjamin von Stuckrad-Barre und andere Nachrichtenhappen

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Letzte Woche ist also das Buch zur SMS rausgekommen. »Noch wach?« ist die Irgendwie-Fiktionalisierung der Niederträchtigkeiten des Führungspersonals im Springer-Konzern; Einzelheiten entnehmen sie bitte der hysterischen Begleitmusik zur Veröffentlichung. Was mir nur dabei fehlte, ist ein kurzer Blick auf die drei Worte, mit denen sich das Buch im Herbst 2021 zu schreiben begann. SMS, Schriftsteller, Benjamin von Stuckrad-Barre – diese Signaturen waren eine Art schwarzes Loch in den Artikeln, die sich damals der kaputten Denke von Döpfner und Co. widmeten. Schwarzes Loch, weil: sie bildeten den Kern der Anklage, wurden aber selbst nicht weiter thematisiert, sondern unkommentiert in den Zeilen stehen gelassen. Ihre Relevanz stand in krassem Widerspruch zur Aufmerksamkeit, die ihnen zukam. Hatte denn hier niemand Fragen an den Kronzeugen selbst? Seltsam.

Die erste Frage an die Zeitungswelt wäre, wieso Stuckrad-Barres Name überhaupt genannt wurde. Man kann sich zwar zurechtlegen, dass ein gewisse Notwendigkeit dazu bestand – denn ohne klare Adresse, die die Auslassungen Döpfners hinreichend validiert, ist ein schöner Pranger nur schwer zu zimmern. Andererseits ist Quellenschutz kein Hexenwerk, so dass sich die Angelegenheit dummerweise sehr gut in den konstant problematischen Umgang mit privaten Daten einreiht.

Die Antwort auf diese Frage würde uns Auskunft darüber geben, wer in diesem Ränkespiel welche Fäden gezogen hat. So aber tappen wir im Dunkeln – was selbstredend Teil des Amusements über die Story ist. Falls Stuckis Name ohne Einverständnis entwendet wurde, wäre das jedenfalls eine brutale Aktion auf BILD-Niveau – klassisches Eigentor für die Journalist:innen. Aber es ist ja auch verführerisch: pikante Details aus dem Telefon des ohnehin maximal öffentlichkeitsgierigen Döpfner-Freundes Stuckrad-Barre. Wieso noch zögern?

Die boulevardesque Wendung der Frage lautet: Stucki, warum sagst du denn nicht gleich, dass du den Lauf der Dinge angestoßen oder zumindest geduldet hast? Dass es sich um ein Investment in dich handelt? Antwort: Wie, muss ich das noch sagen? Ist das nicht eh klar? – Doch, haben wir nur kurz vergessen und verdrängt. Und vielleicht etwas zu ernsthaft gehofft, dass es dir um einen Dienst am Politischen ginge, statt vor allem deinen Namen in Zirkulation zu bringen, um später Aufmerksamkeits- und Geldwerte einzuheimsen. Ach so: Stucki hat selbstverständlich jüngst dementiert, die Quelle der Enthüllung zu sein – darauf wetten sollte man aber lieber nicht.

Denn der bekennende Aufmerksamkeitssüchtige weiß ja, was zu tun ist, damit einem das Feuilleton ordentlich die Klinke poliert. Und so geschah es denn zu Berlin: Ausgerechnet ein Schriftsteller betritt die Bühne und reicht Belege ein, um die Verkommenheit der Springer-Führung zu verbriefen. Döpfners Begehren des Schöngeistigen – sein hirninternes Vademecum, das Antidot zur Zentralexistenz als Konzernboss – wird ihm zum Verhängnis und den Journalist:innen zum Profit. Einer von ihnen – gern wird Stucki ja »Reporter« genannt – hat die Vorlage gegeben, die sie nun ins Ziel bringen müssen.

Das jetzt erschienene Buch ist deshalb nur ein Nebenschauplatz in einer Geschichte über kaputte Konzernangehörige, die ihre Haltung auch noch einem Publikum ans Bein nageln dürfen. Und weil Stucki ebenfalls ein solcher Konzernangestellter war, ist seine jetzige Aufklärung – huch, der Döpfner ist ja der Herrscher über die BILD-Zeitung, und die ist ja anscheinend doch eher so, naja: schlimm? – nicht nur eine wohlfeile Erntefahrt, sondern das Zerrbild einer Abbitte. Die Gebühren, die beim Nachrichtenverkehr mit Döpfner anfallen, sind vielleicht doch höher gewesen als vermutet – aber Buchverkäufe und Zuwendung der Medienwelt werden ihn sicherlich darüber hinwegtrösten.

Screenshots aus dem Insta-Reel von Marija Latković