Immersion als Verkaufsstrategie. Apple’s »Vision Pro«

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Bisher hat das ja nicht so gut geklappt mit dem next big thing – Virtual, Mixed und Extended Reality haben es trotz der Bemühungen großer Player wie Microsoft, Meta, Sony oder Google nicht auf den breiten Markt geschafft. Jetzt probiert es mit Apple also der nächste der üblichen Verdächtigen.

Die nennen die Angelegenheit, schon etwas demütiger, Spatial Computing. Das Gerät selbst heißt »Vision Pro« – eine einigermaßen präzise Bezeichnung, da sie auf die optische Wahrnehmung anspielt, die das Teil vereinnahmen will. Um nämlich trotz kurzem Abstand zum Auge möglichst glatte, d.h. pixelfreie Bilder zu erzeugen, liefert die Brille eine extrem hohe Auflösung, die – medialer Klassiker – die technische Anordnung endlich vergessen machen soll. Der marketingtechnische Trumpf ist also, wie schon bei den hauseigenen M-Chips der letzten Jahre, erstmal die Hardware.

Damit soll möglich werden, was Apple offensichtlich als das erste Etappenziel in der breiten Etablierung des neuen Mediendispositivs am Markt ausgibt: Immersion – also das möglichst tiefe Eintauchen in ein Zeichensystem. Das ist die Antwort des Unternehmens auf die bisher unzureichend beantwortete Frage, warum man sich so ein Teil überhaupt anschaffen sollte. Apple dient uns einen ganz konkreten Use Case an, der vermutlich nicht der folgenreichste sein wird, aber als Türöffner für eine Technologie dienen soll, denen die Konsument:innen bislang mit Skepsis begegnen. Ob das Erfolg hat, sollen die Propheten unter sich ausmachen.

Es geht hier nur kurz darum, Apples strategische Phantasie sichtbar zu machen. Und da bedient sich die Marke bei der medienhistorischen Top-Referenz für Immersion: dem Kinosaal. In diesem Raum, der die visuellen und akustischen Reize der ersten Realität möglichst effektiv auszuschalten versucht, haben wir die maximale Versenkung ins Audiovisuelle gelernt – und Apple bemüht sich, diese Erfahrung in das neue Setting hinüber zu kopieren, um es uns schmackhaft zu machen. Denn schaut man sich das begleitende Werbevideo an, wird uns an vorderster Front der Konsum bildgewaltiger Medien nahegelegt: Filme, Games, private Fotografie. Um den Schrecken des Neuen abzumildern, wird der Fokus auf Rezeptionssituationen gerichtet, in denen Immersion bekannt, gelernt und gewünscht ist.

Dass Immersion das Ziel ist, erkennt man aber vor allem am Design der Brille selbst. Der Ansatz ist der gleiche wie bei Oculus, HTC und Co. – das Headset deckt die Augenpartie komplett ab, so dass wir nur sehen können, was das Gerät uns zeigt – im Unterschied z. B. zur Microsoft HoloLens, die einen elektronisch ungefilterten Blick zumindest in der peripheren Wahrnehmung erlaubt. Bei Apple hingegen sieht man immer noch aus wie ein Taucher aus dem 19. Jahrhundert – ordentlich Gedöns im Gesicht und einen Schlauch am Körper.

Apple bemüht sich zwar mittels ausgefeilter Kameratechnik, die erste Realität detailreich in der zweiten zu spiegeln. Aber so hoch die Auflösung auch sein mag, in meinen Augen ändert das nichts daran, dass wir es hier weder mit Mixed noch mit Extended Reality zu tun haben, sondern mit Virtual Reality. Es kommt, im strengen Sinne, zu keiner Vermischung oder Augmentierung, denn die Umgebung erscheint nie als solche, sondern immer als Bild. Das Licht, das auf meine Augen trifft, ist elektronisch – und die Funktion der eng anliegenden Maske besteht genau darin, fremdes Licht wegzublocken. Auch die Ansicht meiner Augen für andere, auf der Außenseite des Geräts ist eine elektronische – was wie transparentes Glas aussieht, ist ein Screen. Wer glaubt, dass es dabei keine Orts- und Sinnesverluste gibt, sollte sich am Kopf kratzen.

Das eigentliche Pfund des Teils liegt ohnehin in der Interaktivität, die Blicke und Finger miteinander verknüpft. Mit derartiger Magie oder sogar Telepathie rücken wir wirklich ein ganzes Stück näher an Spielbergs Minority Report heran. Werbestrategisch aber sollen wir anfangs nur dazu gebracht werden, den Film im neuen Gerät zu schauen. Der Zukunft bleibt, den Brocken im Gesicht so zu miniaturisieren, dass die Trennung der Räume endgültig aufgehoben wird.