Misstrauen in Design

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Die Leute haben keine Fantasie. Deshalb brauchen sie Designer, die konkrete Formen bauen, zu denen sich sie sich verhalten können. Erst wenn eine Idee wahrnehmbar ist, sich im Material bricht, kann man sie beurteilen. Das gilt für Entwürfe im Designprozess selbst, aber auch für fertige, publizierte Produkte. Dann entscheiden gewissermaßen alle („Der Markt“), die das Produkt nutzen, ob es gut ist. 

Dirk Baecker hat den schönen Satz geschrieben: „Ein Designer ist jemand, dem man misstrauen darf und dessen Lösungen genau dann überzeugen, wenn dieses Misstrauen ernst genommen wird.“1 Die jeweilige Lösung, die das Produkt anbietet, könnte immer auch anders aussehen – dieses Misstrauen führt dazu, dass wir dauernd Produkte miteinander vergleichen. Verhält sich Produkt X sich zur Frage Y genauso gut/schlecht wie Produkt Z?

Während die Verantwortung für das fertige Produkt immer beim gesamten Unternehmen liegt (wobei natürlich immer die anderen Schuld sind), muss im Prozess der Gestaltung der Designer das Misstrauen der Kolleg:innen gegenüber seinen Entwürfen aushalten. Das tut weh, weil die Form das Ergebnis von Entscheidungen ist, die der Designer getroffen hat. Zu hören, dass unter diesen Entscheidungen möglicherweise falsche sind, fühlt sich wie Kritik an der Person an, nicht am Entwurf. 

Erfahrene Designer wissen nun, dass gut informierte (hoffentlich) Kritik (genannt Feedback) die Sachen besser machen. Man poolt die Intelligenz aller, um das Problem und dessen Lösung schärfer zu stellen. Misstrauen ist also instrumentell und funktional. Mit ihm wird die Form in ihren Iterationen raffiniert. 

Die publizierte Form wiederum transponiert, wie gesagt, das Misstrauen auf die Ebene der Gesellschaft. Hier ermöglicht sie das Denken in Alternativen: wir sehen das Produkt und können es mit anderen Lösungen vergleichen. Zudem können artfremde Formen von ihr lernen – wenn sich beispielsweise eine Badarmatur, die durch bloßes Hinhalten der Hände Wasser ausspuckt, ihre Funktion von der Supermarkttür, die kontaktlos öffnet, abguckt.

Die Kehrseite des Misstrauens ist Vertrauen. Wir gehen davon aus, dass der Wasserhahn funktioniert, dass wir irgendwie an das Wasser herankommen – und meistens tun wir das ja auch. Sollte die Funktion eines Wasserhahns aber zu schlecht sein, wird er mittelfristig ersetzt. »Design« gibt zu verstehen, dass er wir es mit etwas Gemachtem zu tun haben. Und das heißt, dass man es auch anders machen kann. 

  1. Dirk Baecker. Designvertrauen. Ungewissheitsabsorption in der nächsten Gesellschaft. Merkur 799, 2015