Lichtschwert

Objekt gewordene Vorstellung: das Lichtschwert aus den Star Wars Filmen, gelesen als Marketing-Kampagne für privaten Waffenbesitz.

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Das Lichtschwert, das ikonischste Objekt aus den Star Wars-Filmen, liefert ein recht genaues Bild der Vorstellungen, denen die Anhänger der bewaffneten Selbstverteidigung aufsitzen. Deren Selbstbilder und Legitimationsfiguren für den Einsatz von Tötungsinstrumenten stützen sich auf eine Moral, die möglichst weit weg von der Brutalität ist, die wir in den Nachrichten verfolgen können. Trotz ihres unausweichlichen Gewaltpotenzials wird die Schuldlosigkeit der Waffe und ihres rechtschaffenen Besitzers in den Vordergrund gerückt.

Spätestens seit Italiens rechtsextremer Innenminister Salvini hat ein Gesetz eingebracht hat, demzufolge die Leute zur Schusswaffe greifen dürfen, sobald jemand ihr Grundstück betritt, ist die in den USA so populäre Form der privaten Bewaffnung in Europa angekommen. Im Dienste der so genannten Verteidigung soll jede/r zu Pistole und Gewehr greifen dürfen, auch wenn das selbstverständlich nichts gegen real vorhandene oder eingebildete Bedrohungen bewirkt. Es geht um ein Gefühl der Sicherheit, das der Besitz einer Waffe offensichtlich zu versprechen scheint. Wie das auf zivilisierte Weise funktioniert, bemüht sich Star Wars zu zeigen.

Bilder einer Waffe

Das Lichtschwert ist eine fiktionale Waffe, sie ist Phantasie und Versprechen. Es sieht schlichtweg großartig und faszinierend aus: Es leuchtet, summt und brummt, lebt geradezu, ist eher Insekt als Gegenstand, Bild gewordene Elektrizität, reine Energie. Im Ruhezustand hingegen ist es ein unscheinbares Stück Metall, dem man sein Zerstörungspotenzial nicht ansieht. Es changiert zwischen diskretem Verschwinden und extremer Aufmerksamkeitsbegierde.

Eine Schusswaffe ist demgegenüber undurchschaubar, man kann ihr nicht ansehen, ob sie entsichert ist oder nicht, ihre Gestalt ist fixiert. Damit sie bedrohlich wirken, müssen sie mindestens auf jemanden gerichtet oder ihre Härte mit filmischen Mitteln herausgearbeitet werden – genauso wie Bomben einen rückwärts ablaufenden Counter brauchen, um dem Publikum die drohende Verheerung begreiflich zu machen. Das Lichtschwert verhält sich demgegenüber wie ein leicht zu lesendes, gut zu verstehendes Tier, das aktiv oder passiv, angrifflustig oder entspannt ist.

Zugleich ist das Schwert ein nostalgischer Rückgriff auf die tradierte Romantik des ehrenhaften Duells, des Kampfes Mann gegen Mann. Nicht nur als visueller Index dieser Idee, sondern auch in der Erzählung wird es entsprechend eingeführt: Es sei ein Bote aus der guten alten Zeit (old Republic), nicht so „clumsy“ und „random“ wie eine Laserpistole, sondern eben „an elegant weapon for a more civilized age“. Hier gibt es sie noch, die Überschaubarkeit der Zustände.

Lichtschwert, 1. Szene

Selbstkontrolle, Ruhe, Macht

Die Zivilisiertheit, im Unterschied zu rohen Schusswaffen, ist für das Selbstverständnis des Lichtschwerts elementar. Laut George Lucas ist es ein expliziter Gegenentwurf, eine gezielte Antwort auf eine Umwelt voller Strahlenkanonen, die die Realität beherrschen. Schließlich wird auch in Star Wars ein dreckiger, mit vielen Verlusten behafteter Krieg geführt.

Ebenfalls abseits der Krieg führenden Klone agieren die exklusiven Nutzer der Waffe – ausgerechnet „Ritter“. Sie entsprechen dem wie hingemalten Idealtypus eines verantwortungsbewussten Waffenbesitzers: ruhig, passiv, emotionslos, vernunftgesteuert, aggressionsfrei, selbstkontrolliert. Hier wird das Bild einer unmöglichen Person entworfen, die all das verkörpert, was den Terroristen und Amokläufern unserer Gegenwart (im Film: den Sith, die Invertierung der Jedi) tunlichst abgesprochen werden muss.

»This weapon is your life«: Lichtschwert und Jedi werden immer zusammengedacht, es gibt sie nicht ohne einander. Das dient der wechselseitigen Aufladung, mehr aber noch der Diskretion der Gewalt. Der Jedi wird mit zwei Sorten Macht versorgt, die beide nicht gesehen werden müssen, um ihre Wirkung entfalten zu können: einerseits die spirituelle, telepathisch und mikrobiologisch agierende Force, andererseits das Zerstörungsvermögen des Lichtschwerts. Die Erscheinung des Jedi federt auf diesen unsichtbaren, dabei dennoch präsenten Möglichkeiten zur Ausübung von Gewalt, es genügt das Wissen um die Anwesenheit des Objekts. Die wirksamste Macht ist die, die nicht angewandt werden muss, sondern als Selbstregulation in die Köpfe der Leute einzieht. Für den Träger hat das außerdem den Vorteil, dass er sich noch besser einbilden kann, die Attribute der Waffe hätten sich höchstpersönlich auf ihn übertragen.

Star Wars Featurette: The Birth of the Lightsaber

Zeigen & Verbergen: National Rifle Association

Welche Rolle die Unterscheidung sichtbar/unsichtbar im Kontext des realen Marketing für Waffenbesitz spielt, lässt sich auf dem Youtube-Kanal der NRA beobachten. Dort findet man einerseits klassische Posen von muskelbepackten, schussbereiten und schießenden Männerklischees. Andererseits aber auch: bemüht neutrale Bilder, die die freundliche Nachbarin von nebenan mit Flinte zeigen, dazu Jagd- und Sportthemen sowie eine um Sachlichkeit bemühte Objektkunde. Ein bunter Reigen des Waffengebrauchs, lustbetontes Primatengebrüll steht neben sich rational gebenden Wissensformaten.

Neben diesen Bildwelten existieren Image-, Talk- und Interviewformate, die keine Waffen zeigen, aber genauso viel Platz beanspruchen. Hier wird versucht, den privaten Besitz und dessen Notwendigkeit auf politisch-diskursiver Ebene zu legitimieren. Der verantwortungsvolle Waffengebrauch, so die implizite Logik, muss von der reinen Pose in der erstgenannten Abteilung absehen. Die Rhetorik macht eine scharfe Kehrtwende, gibt sich einen seriösen Anstrich, bei dem es nicht um persönlichen Stärkegewinn geht, sondern um die Verteidigung höherer Werte.

In diesem Zeigen und Verbergen treffen sich Fiktion und Realität. Beide erzeugen Bilder von expliziter Stärke und Entschlossenheit auf der einen und Momente rationaler Zurückhaltung auf der anderen Seite. Indem die beiden Zustände zeitlich auseinander gezogen werden, stützen sie sich gegenseitig. Wut und Vernunft verstehen sich prima, wenn man nur genügend Abstand und Dynamik zwischen ihnen herstellt.

Beratungsagentur Angst

„Guns don’t kill people, people kill people“, lautet die gebetsmühlenartige Wiederholung. Die Waffe, soll das heißen, sei an sich neutral und habe keinen eigenen Tötungswillen. Damit wird selbstredend die einzige Richtung, in die ihr Potenzial weist, verleugnet: in Richtung Zerstörung.

Die Waffenlobby mag sich einbilden, dass eine größtmögliche Präsenz von Waffen genüge, um Bedrohung einhegen zu können. Wie uns aber Star Wars Episode VIII erzählt, haben die Jedi an allen entscheidenden Punkten der Geschichte versagt, inklusive Luke Skywalker selbst, der dieses Versagen feststellt. Denn es war der Versuch, seinen zur dunklen Seite der Macht neigenden Schüler präventiv zu töten, der dessen Transformation ins Böse erst hervorgebracht hat. Extreme, von Angst angetriebene Selbstverteidigung – lieber nicht.

Bilder: © Disney