Umstellte Bilder

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Beim Bücher aussortieren sind jetzt auch die ewigen Mitbewohner aus dem TASCHEN Verlag dran. Vorher scanne ich Bilder, von denen ich annehme, dass es »irgendwie« »gut« wäre, sie zu speichern, aus »The Polaroid Book« und »Pop Art« – aber bitte nicht zu viele. Ein paar Tage vergehen, dann gucke ich mir die Bilder erneut auf dem Computer an.

Dieses Anschauen dauert deutlich länger als erwartet. Interessanter Effekt, der sich schon beim Durchsehen der Bücher eingestellt hat und der sich, solange die Bücher träge im Regal standen, eben nicht eingestellt hat: Ich sehe die Bilder – und zwar nur die Bilder. Beim Durchblättern war schon die Frage, welches Bild wirklich »gut« ist, also: kickt da irgendwas, gibt es eine Resonanz im Hirn? Welche Bilder will ich behalten, und warum?

Klar wird so, wie es bei den Büchern bloß nachrangig um die Bilder geht. Vielmehr soll das Thema, das auf dem Buchumschlag steht, abgelegt werden, einverleibt, indem es im Bauch der Wohnung liegt. Die Bilder, die doch im Zentrum des Buches stehen, kann man gar nicht richtig erkennen, sie sind vernebelt durch die Schrift, die sie umstellt: Titeleien, Fließtext, Bildunterschriften. Die Buchstaben sind dermaßen präsent, dass der Blick große Schwierigkeiten hat, sie auszublenden. Plus all die anderen Bilder, deren Echo zusätzlich nachhallt.

In Suchergebnissen und auf Internetseiten dasselbe Bild: auch dort sind Bilder immer von anderen Bildern, Texten und Metadaten umzingelt. Es gab doch mal die romantische Idee, dass das Kunstwerk seine eigene Welt aufzieht, die sich mit der Welt, die der Betrachter im Moment des Betrachtens mitbringt, verschaltet – ohne die Zwischenrufe anderer Zeichen. Am Computer, als einzelne Datei auf der Festplatte, geschieht das nun, ich sehe diese superbekannten und totbesprochenen Bilder zur Abwechslung mal ohne Beiwerk.

Die einzelne Datei (bzw. ihre fokussierte Wahrnehmung) vollzieht so im kleintechnischen Maßstab annäherungsweise das alte, kontemplative Ideal von Galerie und Museum, die stille, konzentrierte Betrachtung. Das ist als antirealistische Quasi-Nostalgie etwas peinlich, aber eben auch schön. Man spürt die Verluste, die die andauernde Belagerung eines Bildes durch weitere Bilder und Buchstaben mit sich bringt.

Andy Warhol. 129 DIE IN JET (Plane Crash). 1962