Zur Usability von Fuß- und Endnoten

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Eine Fuß- oder Endnote ist eine Zahl, die etwas schief zwischen Buchstaben klemmt. Als solche trägt sie nichts zum Textfluss bei, im Gegenteil – sie unterbricht ihn. Einerseits rein optisch, denn sie ist kleiner und höher gestellt, also nicht auf Linie mit ihren Nachbar:innen. Andererseits inhaltlich, als Aufforderung, mit dem Lesen kurz aufzuhören und zu schauen, was man noch so zum soeben Gelesenen wissen könnte, müsste, sollte. 

Je nach Naturell und Textsorte folgen die Lesenden der Note – oder nicht. Die Tendenz sieht derzeit eher nach Nichtfolgen aus, was man daran erkennt, dass Endnoten trotz der deutlich schlechteren Usability die klassischen Fußnoten immer mehr verdrängen. Nur bei einem dezidiert wissenschaftlichen Publikum dominieren weiterhin Fußnoten (mein völlig subjektiver Eindruck). Meh.

Die Wahl von Endnoten hat mir noch nie eingeleuchtet, sie sind extrem unpraktisch. Man kommt nur mit Mühe an sie heran, muss ein zweites Lesezeichen oder die Finger hinten einklemmen, wenn man in der Lage sein möchte, fix nachzuschauen, was sich hinter einer Zahl verbirgt. Das gilt prinzipiell für alle Endnoten, aber unter diesen gibt es durchaus Möglichkeiten, den Schmerz zu steigern.

Verschlechterungsmöglichkeit Nr. 1: mit jedem neuen Kapitel im Buch die Nummerierung der Endnoten von vorne beginnen lassen. Folglich gibt es die Nummern 1, 2, 3 – n mehrfach am Ende des Buches. Für diejenigen, die nicht linear lesen, sondern kursorisch reinblättern, ist das die Pest. Man fummelt sich hinten in den richtigen Abschnitt und muss dann noch prüfen, ob man denn die richtige 1, 2 oder 3 erwischt hat.

Wenn schon Endnoten, dann bitte eine einzige Zahlenreihe, von vorn bis hinten. So wie hier:

Dirk Baecker. Katjekte. Erweiterte Fassung. 2024

Verschlechterungsmöglichkeit Nr. 2: Kapitel-Endnoten. Heißt: am Endes jedes Abschnitts, im Buch selbst, finden sich die Anmerkungen zu eben jenem Abschnitt. Vorteil könnte sein, dass die Sachen näher beieinander sind – was aber nichts daran ändert, dass man die Endnoten immer noch jeweils suchen muss. Und weil ein Lesezeichen dort ja noch beknackter ist, muss ich immer wieder von Neuem hinblättern (der Finger geht dauernd verloren, so kann man doch kein Buch in den Händen halten).

In meinen Augen ist das die mieseste Lösung – die sich ausgerechnet in einem (ansonsten sehr guten) Buch über »UX Research« findet:

David Travis, Philip Hodgson. Think like a UX researcher. 2nd edition. 2024

Endnoten sind ein Versuch, die Lesbarkeit zu verbessern. Der Designer wird auf den Lesefluss verweisen, der auf diese Art nur »ein bisschen«, nämlich durch die Zahl, unterbrochen wird (mal ganz abgesehen von der praktischen Herausforderung, die Vielzahl von Fußnoten in einem mehrere hundert Seiten langen Text sauber zu layouten). Das Textbild der Seite bleibt intakt; im Unterschied zu Fußnoten sehen wir stets nur den Haupttext. Es handelt sich geewissermaßen um eine Print-Variante von »UI over UX« – es sieht hübscher aus, ist aber schwieriger zu nutzen.

Die Endnote mindert zudem die Relevanz ihres Inhalts. Das ist in meinen Augen besonders kaputt: Entweder, man erlaubt einen wirklich schnellen Check per Fußnote oder man vertraut darauf, dass der Haupttext auch ohne Verweis funktioniert, man also auf die Suggestion von Tiefe verzichtet. Wenn es ohnehin um lockere Bezugnahmen, um die allzu grobe Nennung von Büchern oder Autoren geht (Namedropping etc., siehe oben), genügt eine allgemeine Literaturliste oder ergänzende Kommentare.

Endnoten festigen zudem die Hierarchie des Textes: hier der Haupttext, dort der Anhang. Dabei liegt ein großer Spaß darin, den Vorarbeiten, Nebenadern, Konterargumenten, Angeber- und Klugscheißereien im vermeintlichen Nebentext zu folgen. Da gibt es einen Text von Jacques Derrida zu, ich kann mich nicht mehr erinnern, aber Claude AI vermutet, dass es sich um »Tympan« handelt, einen Aufsatz im Buch »Ränder der Philosophie«. Falls es Sie interessiert.

Bei mir im Regal habe ich nur »Geht doch« vom grandiosen Rembert Hüser, der in Anlehnung an Derrida auch sein Spielchen mit den Fußnoten treibt. Fußnoten bieten hier nicht nur die schnelle Auffindbarkeit einer Quelle oder Bezugnahmen, sondern ergeben sehr unterhaltsame Text-Konkurrenzen, bei denen man irgendwann nicht mehr weiß, wo man selbst und was der Haupttext ist. Dieses Auseinanderlaufen ist sehr unterhaltsam – wenn man gewillt ist, es auszuhalten.

Rembert Hüser. Geht doch. 2021

Aber auch wer es konservativer mag, ist mit Fußnoten deutlich besser bedient. Als Lesende können wir immer selbst entscheiden, ob wir den einer Zahl zugewiesenen Inhalt ignorieren oder wahrnehmen wollen. Demütigend hingegen ist es, mühsam im Buch zu blättern. Nicht nur habe ich meist halb vergessen, worum es im Haupttext eigentlich ging, wenn ich die Endnote gefunden habe. Sondern –