Simulierte Objekte, leichtes Kopfweh

Der Vorspann zur Marvel-Serie »The Punisher« zeigt, wie eine zeitgenössische Serie die Grenze zwischen realen und irrealen Bildern elegant verwischt.

In: Bilder Reading Time: 2 min

Im Marvel-Universum bildet der Punisher aus der gleichnamigen Netflix-Serie eine Ausnahme. Als Richter und Henker in Personalunion killt er mit hoher Frequenz alles, was halbwegs kriminell erscheint. Zudem verfügt er im Unterschied zu seinen Kolleg*innen nicht über Superkräfte, sondern nur über seinen Körper, eine militärische Ausbildung und reichlich Waffen.

Eine Ausnahme ist auch die Titelsequenz (Produktion: Elastic), eine finstere Ode an die Schusswaffen. Nicht nur die Anhimmelung von Knarren ist unangenehm, sondern auch das Spiel mit dem Realitätsanspruch der computergenerierten Bilder. Denn anders als z.B. die Eröffnungen von Game Of Thrones oder The Crown, die dem Zuschauer ganz klar ihren imaginären Status vorführen, befinden wir uns hier in einem ungemütlichen Zwischenzustand. Die Bilder sind zwar digital, zitieren aber permanent und penetrant die Wirklichkeit der Waffen, die den Bildern ihr Gewicht verleiht. Die Kombination von überspitzter Realitätsbehauptung und digitaler Transformation erzeugt ein Unbehagen.

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Zunächst wird hier durch eine Reihe formaler und motivischer Schauwerte Materie gefeiert: Kratzer auf simuliertem Film, das verrutschte Projektor-Bildfenster, in extremer Zeitlupe verlangsamte Pulverwolken, metallisch-harte Oberflächen, technische Gravuren. Die Qualität der Auflösung, der Textur und des Lichteinfalls innerhalb der einzelnen Bilder ist so überzeugend, dass sich die Computerbilder locker mit real gefilmten Objekten messen können, diese  sogar überbieten.

Die Objekte selbst geben sich in ihrer Erscheinung somit als Abbild der Realität. Die Dynamik hingegen, in die sie eingelassen sind, steht quer dazu. Der Schnitt und die Bewegungen von Kamera, Licht und Objekt, d.h. die filmische Darstellung, konterkarieren die authentischen Behauptungen der Motive. Der Gesamteindruck kippt in Richtung unwirklich.

‘Realismus’ hängt hier also nicht an der Frage nach der korrekten Abbildung, sondern an der Realisierbarkeit des Aufbaus. Die Testfrage lautet, ob sich diese Sequenz traditionell mit Kamera und Objekt  filmen ließe, anders gesagt: Handelt es sich um eine korrekte Abbildung der fotografischen Ordnung? Gemäß des schönen Satzes vom alten Wittgenstein: »Daß sich die Elemente des Bildes in bestimmter Art und Weise zueinander verhalten, stellt vor, daß sich die Sachen so zueinander verhalten.« (Tractatus 2.15) Die Sachen sind in diesem Fall: die Kamera, das Objekt, das Licht, die Schärfe, die Oberflächen – und deren Bewegungen.

Manche dieser Elemente verhalten sich ‘richtig’ zueinander, andere nicht. Die Materialität der Objekte spannt einen realistischen Rahmen auf, der sogleich wieder zerlegt wird. Der Vorspann begibt sich also weder in einen rein künstlichen Raum, wie es Game of Thrones oder The Crown machen. Noch lässt er sich unnötig von den Plausibilitäten der Wirklichkeit einengen, sondern verschiebt diese ein wenig, gerade so sehr, dass man das Gefühl hat, hier stimmt was nicht. Das macht das Ganze so unangenehm: diese schwebende Situation, in der sich die Bilder befinden, zwischen der Möglichkeit und Unmöglichkeit ihrer physischen Realisierbarkeit.

Eine vorgeblich harte Realität, die keine ist, wird durch eine bestimme Darstellungsweise ins Unreale befördert – diese Konstellation kommt einem ebenfalls nicht ganz unbekannt vor.

Bilder © Marvel / Netflix

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