Neue Verschlüsse am Tetrapak

Aus der Reihe »Tausend kleine Zwänge«

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Erst war es die Frischmilchverpackung von REWE, jetzt ist auch der Verschluss der Hafermilch, Entschuldigung: des Haferdrinks namens Oatly – das ist der, der mittlerweile massenhaft aus dem Supermarkt geschleppt wird, so dass die einzelnen Tüten gar nicht mehr ins Regal wandern, sondern die Paletten einfach im Gang stehen bleiben – betroffen: sie haben den Verschluss GEÄNDERT.

Die vorherige Version war zuverlässig mehrteilig. Es gab einen abnehmbaren Deckel, dazu gerne eine fest verschweißte Folie auf der Öffnung, die man abziehen musste bzw. durfte. Mit ihr verstärkte sich das einzigartige Gefühl, diesen hochtechnologischen Gegenstand, diese industrielle Errungenschaft namens Verbundkarton, jetzt und hier nur für sich öffnen, d.h. verletzen zu dürfen. Und nun das.

Zwar gibt es weiterhin dieses sanfte, befriedigende Klickgeräusch, wenn der versiegelte Verschluss aufgebrochen wird. Aber die Geste des Deckel-Abnehmens – weg. Die Hand-Armbewegung, die den Verschluss in einer fließenden Bewegung runternahm, so dass aufs Schönste klar war, dass das Ding offen ist, ist nicht mehr möglich; nach dem Drehen oder Aufdrücken bleibt das Ding am Container. Noch döofer beim Schließen: Draufdrücken wirkt per se unzuverlässig und die Schraubvariante setzt noch einen drauf: Es ist nicht mal mehr klar, ob man denn hier drücken und/oder drehen muss. Es ist eine seltsame Kombination aus beidem. Und weil sich der gesamte Verschluss sich im Karton mitdreht, fehlt auch der verlässliche End-Widerstand, der ein klares „Verschlossen“ signalisiert.

Sicherlich sparen die Hersteller einen Sub-Cent-Betrag, um noch mehr Gewinn rauszuholen, vielen Dank dafür. Begründet wird das vermutlich – nicht völlig zu Unrecht – mit Nachhaltigkeit (ich habe das aber nicht »recherchiert«). Müll, der zusammenhält, sorgt für weniger Streuverlust, was gerade bei Plastik nicht verkehrt ist. Trotzdem wirkt das ganze einigermaßen albern, unnötig und gierig – einziger Treiber dieser „Innovation“ ist die Profitmaximierung der Hersteller:innen.

Meine liebste Variante des Tetrapaks ist übrigens die aus den 1990ern, die noch keinen aufgeflanschten Verschluss hatte. Die Öffnung war gewissermaßen in den Karton integriert – man musste etwas fummeln, um die Lasche aus dem Dach herauszufalten, hat aber funktioniert. Nach heutigen hygienischen Standards wird man das bloße Wiedereinklappen der Lasche vielleicht als mangelhaft einstufen; als Laie denke ich: reicht doch. Und weniger Müll produziert es auch.

1991

Der Tenor dieses Seufzers ist selbstverständlich der, dass man als konditionierter Konsument, d.h. älterer Mensch, Veränderungen nicht so gerne hat. Das merkt man am Häufigsten im Digitalen, wenn eine App ihre Benutzeroberfläche ändert; wenn die Knöpfe nicht mehr da sind, wo man sie erwartet; wenn man neue Wege lernen muss, um ans gewohnte Ziel zu kommen. Iteration, wie es so schön heißt, ist aber selbstverständlich keine Erfindung der jüngeren Gegenwart, sondern so alt wie Produkte und ihre Weiterentwicklung selbst. Aber manchmal nervt es einfach nur.